a
Brigitta "Weben" Weber... 

Die Bilder meiner Mutter sind gewebte Kostbarkeiten.
Cezanne hat die Luftlöcher für die Malerei entdeckt, Magritte den Bildwitz. M. Schulz erfand den tief menschlichen, melancholischen und intelligent gezeichneten Charly-Brown-Humor. Warhol hat die Werbung zur Kunst erhöht, Graubner farbige Luftkissen, Gerhard Richter das gesellschaftlich relevante Bühnenbild. Neo Rauch hat den sozialistischen Realismus in den Kapitalismus überführt, nachdem Günther Ücker das Bild vernagelte. Ives Klein hat ein Patent auf Blau, Fontana auf das Schlitzen von Leinwänden. Mein Vater öffnete die Standardmaße, mein Bruder Traumwelten.  Und meine Mutter öffnete die malerische Verdichtung.
Absurd?
So einfach ist Kunstgeschichte manchmal.
Wenn es doch nur so  einfach wäre.
Bei den Bildern meiner Mutter muss man sehr genau gucken können.
Es ist nicht nur das, was zu sehen ist: also der Blick aus dem Fenster oder das präzise beobachtete Stillleben.
Ihre Bilder sind mit höchstem Anspruch gemalt, und mit allen Techniken und der Hingabe, die ein Maler nicht nur, aber auch im handwerklichen Sinne verwenden können sollte.
Viele der intensiven Bilder sind jahrelang bearbeitet worden und wirken trotzdem wie aus einem malerischen Fluss. Den Launen der Natur hat sie stets nachgegeben - im widerständigen Kontrast zum lauten männlich genialischen Expressionismus, der sich kunstgeschichtliche Bedeutung damit ertrotzte, die Sekunde zu erfassen.
In ihrem Werk geht es darum (den Schnappschuss/Fangschuss gab es nun auch schon lange in der Fotografie), über Jahre die Langsamkeit der Malerei/Natur grundsätzlich zu erleben. Überlistung der Natur durch Beobachtung? Durchdringung eines Dickichts in die Tiefe? Röntgen ohne Strahlenschäden? 
Wer sehen kann, sieht hier die aberwitzige Schönheit in der schonungslosen Demut und einem gläubigen Einvernehmen in die nicht endenden Kreisläufe und Bedürftigkeiten der Natur und der Menschen.
Bilder, über Jahre immer wieder hervorgeholt und bearbeitet, wenn die Natur soweit war. Bilder, in deren Schichten man herumwandeln kann, oder wie im Zeitraffer die Eichhörnchen springen sieht, die Vögel aufgeregt ihre Jungen betütern, die Füchse die Hühner belauern....Ihre Spuren sind auf diesen Langzeitbelichtungen Nebensache.
Bemerkenswert ist, dass nicht nur die Freunde der Familie unsere Mutter bis heute ins Herz geschlossen haben, sondern auch die Freunde ihrer Söhne und deren Familien. Künstler/Innen und Nicht-Künstler/Innen mochten ihre intensive Art der Auseinandersetzung mit allem. Alles und alle waren gleich und damit wichtig - das Essen, der Garten, die Kinder, die Gesellschaft, die Kunst.
Bei Scharlatanen konnte sie sehr ungnädig werden oder auch, wenn man gelangweilt und mit viel Zeit und Palaver ihre Konzentration und Arbeit störte. Wir als Familie haben sofort das Zimmer verlassen, wenn wir das bemerkten.  Auch unsere "Joggi"hunde, waren dann ganz schnell und demütig aus der Szenerie verschwunden.
Einen Menschen mit viel Geduld in die Ungeduld zu treiben, vermeide ich vor diesem Hintergrund bis heute.
Wir, mein Bruder und ich, haben viel gelernt von unserer Mutter... Unbestechlichkeit, Leidenschaft, Konzentration, Arbeiten, Organisieren, Beobachten und Zupacken, aber auch Widrigkeiten aushalten und damit leben.
All das braucht es für eine wahrhaft kreative Existenz. Durchhalten und Begeisterung für die Sache.
Der Kunstmarkt war bei ihr in diesem Sinne außer Kraft gesetzt. Sie beobachtete als Künstlerkind und Künstlerin mit tiefer Kenntnis die Mechanismen und Gesetze des Marktes. Es bestand ein vorsichtiges Misstrauen dem eitlen System gegenüber.
Dass ihr Leben nach schwerer Krankheit doch früh zu Ende gehen würde, habe ich an ihren Bildern bemerkt. Den Himmel in den Landschaftsbildern hatte sie stets gehandhabt, aber nie bearbeitet. Plötzlich aber entstanden im Himmelsraum Lufträume. Plötzlich öffnete sich  im Horizont das Diesseits zum Jenseits in aller ungewissen Bildgewalt.
Sie hatte keine Angst vor dem Tod. Der Himmel ist in den letzten Bildern aquarellartig aufgelöst - "irgendwo im nirgendwo".  Geärgert hat sie die Aussicht auf den nahe stehenden Tod trotzdem: "Guggemol, jetztet wird de alde Nazi do hinne no älder wie ich, des isch doch ungerecht". Sie hatte mit 56 Jahren nicht die Chance, ihre Bilder weiter reifen zu lassen, wieder und wieder hervorzuholen und zu bearbeiten, tiefer und für alle Betrachter geheimnisvoller zu vollenden... Sie war ein "gläubiger" Mensch, eine außergewöhnlich liebevolle Mutter, und, nicht zuletzt, eine unglaublich große Künstlerin.  


zurück zur Übersicht