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Susanne Marschall
zur Ausstellung in der Majolika, Karlsruhe
am 18. Juni 2006

"Die Frau ist gottgleich."

Das hat Thaddäus Hüppi gesagt, und das meint er ernst. Gottgleich, weil sie Kinder gebären kann. Weil sie schöpferisch ist, allein aus ihrer biologischen Veranlagung heraus, ihrer ganz besonderen, einzigartigen Natur. "Männer sind nichts dagegen, nur unnötige Erscheinungen", sagt Hüppi. Er klatscht die Worte nicht gerade zimperlich in den Raum. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen: Nämlich die "paar Männer, die versuchen, wie Frauen zu werden." Hüppi meint damit alle, die Kunst machen, etwas erschaffen, gestalten. Legt man die Begriffe etwas großzügiger aus, sind es ja dann doch vielleicht mehr als nur ein paar. Aber selbst die sind für ihn nur eine kümmerliche Kopie, ein popeliger Abklatsch: "Ein kleiner schöpferischer Mensch", so wie er, der nach einem schöpferischen Prinzip arbeitet.
Und wie eben so ein schöpferisches Prinzip beschaffen ist, kann man es nicht nur rein logisch erklären. Man muss glauben, dass es stimmt. Weil es kein strenges Wenn-dann-System ist, nicht nur nach klar definierten Strukturen funktioniert. Sondern sich auch aus sich selbst heraus entwickelt, entfaltet und entfächert und dabei durchaus verschlungene und unabsehbare Wege geht und auf einem verbürgten Ideenfundament ein selbständiges, eigenes, eigendynamisches Leben lebt. Hüppi glaubt an sein Prinzip. Er glaubt, dass es inzwischen auch mit dem tönernen Material aufgeht. Aber es war ein harter Kampf, mit dem Ton, den Glasuren. Ein Kampf mit seinen Vorstellungen, seinen Ansprüchen. Auch ein Kampf mit seinen neidvollen Blicken auf andere Künstler, die einfach so malerische Flächen hinzaubern konnten. Schwupps, hatte er ein wenig seine Freude, seine Schöpfungsgabe verloren. Hatte den roten Faden aus den Augen verloren und zweifelte am Glauben. Aber schließlich hat er den Kampf doch noch gewonnen und dann lustvoll in seine riesige Wunderkiste gegriffen. Wie man sieht.
Es geht turbulent zu in seinem Kuriositätenkabinett, wahrlich wunderlich in seiner bizarren Menagerie. Da fallen einem ungeschlachten Hobel mit knolliger Säufernase schier die Kugelaugen aus dem verzaust verzerrten Gesicht, der Mund klappt ihm dabei drei-eckig-rot auf. Einem blaublütigen Gentlemankopf entweicht ein kleines blaues Oh aus seinem kleinen blaurunden Mund, der mit einem großen blauen Fast-Kaiser-Wilhelm-Bart geschmückt ist. Leichenblass vor Erstaunen findet er sich mit weit aufgerissenen und blaugeränderten Lochaugen auf kräuseligem Grünzeug, das auf einem umgedrehten metallic-grünen Topf liegt. Die Maskenhafte schmiegt sich mit einem einfältig schelmischen Lächeln in einen üppigen Salatkopf, der von einem Motorrollerrad zart umschlungen wird. Pausbäckig glotzt ein eingedellter Antennenkopf mit überstarkem Kinn von ihrem Haupt.
Skurril sind Hüppis Kopfgestalten, abstrus seine Kleinplastiken, absonderlich seine Objekte, die die Wände mit einbeziehen und in den Raum eingreifen. Sie verleiten zum Schmunzeln, so kindlich und witzig wirken sie. So spielerisch und drollig, komisch, originell und surrealistisch. Wie sie da spitzkinnig, kugelaugig und segelohrig, flügel- oder langnasig, puttenpausbäckig, porzellanglatt und püppchenhaft immer wieder andere, meist schematisierte Charaktere darstellen, die scheinbar aus einer anderen Welt gepurzelt sind. Aber Vorsicht: Hüppi ist raffiniert. Er bedient sich gewieft gewitzter Kunstgriffe, sodass man nicht sofort merkt, wie wenig er sich um gültige Standards schert. Wie er durch seine angeblich naive Verpackung und scheinbare Kinderzimmerästhetik die Postulate der Kunst bricht und seine ganz eigenen aufstellt. Die üblichen Kunstgesetze und den modetrendigen Kunstmarkt in humorvoll-geistreichem, künstlerischem Zwiegespräch vom Sockel holt.
Da steht er in seinem roten Mäntelchen und den großen Absteh-Ohren am Rand des kleinen Bassins, die Pinocchio-Nase in den Himmel gestreckt, wie Hans-guck-in-die-Luft. Und spuckt: Einen hübschen wohlgerundeten Strahl, mitten in den Teich. Rundäugig glotzt er der Fontäne nach mit einem dümmlich selbstzufriedenen Gesichtsausdruck. Er ist eingebildet und stolz. Findet sich absolut toll: So einen schönen Bogen soll ihm mal einer nachmachen. Das ist wunderbare poetische Ironie, die gleich mehrere Fliegen erschlägt. Unter anderem die Vorstellung, dass Springbrunnen in der Öffentlichkeit immer wuchtig und repräsentativ sein müssen. Bei dem anderen Wasserspeier kommen die Strahlen aus den Augen. Vielmehr aus den Mündern der zwei dumpfbackigen Barockgesichter, die die Augen in dem großen, in sich ruhenden Gesicht sind.
Hüppi durchkreuzt auf subtil humoristische Art den üblichen Anspruch auf eine logische, in sich geschlossene Form. Es müssen Augen ins Gesicht? Hüppi montiert einen Kopf hinein. Die Augen, der Spiegel der Seele, müssen leuchten? Hüppi steckt Glühbirnen an ihre Stelle. Der Kinnbart drückt eine Persönlichkeit aus? Hüppi steckt einen teuflischen Charakterkopf ans Kinn.
Er konterkariert die Regeln mit seinen intelligenten additiven Arbeiten: Die Köpfe sind sein Stilmittel, und er benutzt sie wie andere Künstler die Farbe. Die Materialien, die Glühbirnen, der Reifen, der kleine Buchsbaum, ist sein Werkzeug, um auf hintersinnige Weise die Kunstgeschichte zu hinterdenken und hinterfragen. Sie aufzustacheln und ihr mit kleinen, lächelnd poetischen Seitenhieben eins auszuwischen.


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