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Michael Dethleffsen
Pressetext WBD, Berlin

"show down mit fliegenden Köpfen"

In den Arbeiten von Thaddäus Hüppi sieht sich der Betrachter in eine Welt der überraschenden Begegnungen und dialektischen Metamorphosen versetzt, er trifft auf die heitere Präsenz von Mischwesen in einem phantastischen Raumtheater, auf handwerkliche Hingabe und psychologische Raffinesse.
Die bizarren Installationen kommen allerdings ganz ohne Theaterdonner aus, da das Stück sich immer streng auf den gegebenen Raum bezieht, sich in die Verhältnisse einnistet um dann mit einer extremen Animation der räumlichen Schwerkraft hervorzubrechen. Dabei sind die Übergänge fließend: Charaktere, plastische Ereignisse und Raum durchdringen sich auf atemberaubende Weise, und das entstehende Wechselspiel wird bis an die Grenze äußerster Fragilität getrieben.
Als Quellcodes der von Thaddäus Hüppi entwickelten Formen- und Figurenwelt können so verschiedene Artefakte wie mittelalterliche Groteskenfiguren, TV-Kindersendungen, Labor-Versuchsanordnungen, Schlemmersche Kahlköpfigkeit, ägyptische Grabplastik, Karnevalsmasken, wuchernde Gartencenterästhetik, Arcimboldo, verspielte Brunnenarchitektur, psychedelische Posterkultur, spoerri'sche Verzehrspurensicherungen u.a. herangezogen werden. Also ein ganz enormes Feld, das in der Lage ist, jede begriffliche Fassung und jeden kurzatmigen Rapport zu sprengen.
Gleichwohl verrät dieser enthemmte Zugriff und die gleichzeitig sensible Zusammenschau von ästhetischen Materialien aus Geschichte und Gegenwart das Interesse an dem Phänomen eines überzeitlichen, totalen Formenrepertoires, dessen strategische Bedeutung nicht mittels eines ideologischen Apparats korrekt be- oder entwertet werden kann, dessen Reanimierung innerhalb Hüppis Figuren aber dem Betrachter in einer Art show down frappierende Begegnungen mit dem widersprüchlichen Kompendium der ästhetischen Ideengeschichte eröffnet. Die plastischen Wesen begegnen dem Betrachter dann mit einer Energie, die zugleich komisch wie existenziell anmutet.
In einem Kunst-Umfeld, in dem die meiste Energie auf die Erörterung neuer weltanschaulicher Konventionen in einer angeblichen Post-Histoire gerichtet ist, behauptet Hüppis Arbeit ein anarchisches Potential, etwas unkontrollierbares, das sich der ideologischen Einordnung erfolgreich entzieht. Die Autonomie künstlerischer Praxis ist bei ihm tatsächlich praktisch, ist Haltung geworden und nicht manifester Regenschirm, unter dem man sich ungestört vernetzen kann.


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