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RAUM. LAUFEN. LASSEN...

Nicht zu fassen.
Unmöglich.
Wirklich unfassbar.

Wer ist Thaddäus Hüppi?
Weiß das wer? Kann man irgendwo anrufen und fragen? Mit Google jedenfalls kommt man auf Seiten mit Bildern von Bildern und Dreidimensionalem... Man landet auch bei einer Künstlerfamilie. Schweizer Gardistenenkel, Sohn von Alfonso Hüppi, dem legendären Düsseldorfer Akademieprofessor, "Kisten-Hüppi", Sohn der leider unterschätzten Malerin Brigitta Weber, Bruder von Johannes, dem Maler immer leicht schwüler Bilder bester kulinarischer/künstlerischer Qualität, mit der Wirkung als würde man von einer oberrheinischen Schnake irgendwohin gepiekt...
Ich hatte es in meiner langjährigen Begleitung zahlreicher Künstler noch mit keinem Künstler zutun, der sich so wenig einordnen lässt und in keiner künstlerischen Strömung, keinem bestimmten Stil, ja auch keiner bestimmten Zeit zuhause ist.
Dabei ist "Zuhause" eine wesentliche Kategorie im Werk von Hüppi.
Allein dieser Name! Man muss es sagen dürfen: Hüppi? Entschuldigung. Und dann auch noch Thaddäus?
Nun weiß ich zufällig, daß der Vorname seinem Taufpaten Thadaeusz Kantor gewidmet ist, dem polnischen Künstler/Multitalent und obendrein renitenten Widerstandsgeist in der kommunistischen Ära.
Mich treibt das Unmögliche um bei diesem Werk. Na, vielleicht auch das Peinliche. Das Stolze und in sich Ruhende, das den Betrachter, so er sich auf die Arbeiten einlässt zur Weißglut treiben kann. Oder aber wirkt wie ein Tranquilizer. Beruhigend. Der Käufer eines Mobilés, einer Plastik, eines Brunnens oder eines Bildes ahnt nicht, was für einen Virus er oder sie (schwärmende Damen berichteten) nachhause tragen.
Die Bilder und Installationen/Plastiken kneten aus dem Publikum heraus, was im jeweiligen Individuum angelegt ist.
Von Hause aus ist Thaddäus Hüppi eher Bildhauer? Bei dieser Aussage zögere ich. Hüppi hat in Hamburg und Frankfurt studiert, bei Bildhauern und bei Malern. Er hat merkwürdig bewegliche Figuren und Anlagen entwickelt, Schwebeköppe, sich abbauende Gipsköpfe für den Außenraum. Köpfe wurden in den Fluss geworfen, schimpfende Stimmen auf öffentlichen Plätzen installiert. Daneben gibt es traditionelle "Kunst am Bau", Bronzen, Brunnen... Die Figuren wirken entrückt, verzückt, beglückt bis abgedreht. Traum und Trauma. Hirn und Hirni.
Ich kenne keinen Künstler, der so wenig Aufhebens macht um sich selbst und gleichzeitig soviel Spannung erzeugt in seinem Umfeld.
Aber reden wir über die Malerei:
Die Bilder sind nicht besonders groß. Nix mit Öl.
Acryl. Oder was zur Hand ist.
Schnell. Kindergeburtstag? Auch. Bildraum? Je genauer man hinguckt, umso tiefer. Understatement. Nochmal zurück: Was ist Malerei? Das Metaphysische wird in ein Format gebracht. Also: Welt wird im Zweidimensionalen neu erfunden. Bei Thaddäus Hüppi wirkt auf den ersten Blick alles flach und naiv. Wenn man guckt bemerkt man, daß das nur ein Trick ist, den Betrachter in die Irre zu führen. Hier sind in jedem Bild immer mindestens zwei Bilder ineinander geschraubt. Es sind immer Porträts. Keine konkreten Personen, keine Frauen und/oder Fotzen. Es sind Karikaturen, Masken, Sphinx-artige Gendermixe, die lächelnd einen Unraum beherrschen, eine Dekoration unterordnen, die kunstgeschichtlich alles beinhaltet - die Quadrate, die Streifen, die quecksilbrigen Gesten... Alles vorgetragen mit einer Mischung aus Langeweile und angeödeter Routine. Gemischt mit Raffinesse und an der Wirkung interessierter Feingliedrigkeit. Kunstgeschichtlich komplex, mit Durchtriebenheit dem (Kunst-)Betrieb widerständig. Nicht widerständig als Geste und vor sich her getragen, sondern aus der Traurigkeit um den Verlust von Substanz im Gequirle der egomanischen Selbstprofilierung heraus als Behauptung.
Aber. Und:
Der Leib spielt kein Rolle. Köpfe. Warum? Ich hab keine Ahnung. Der Leib ist Wurm und Erde. Man muss mal richtig nachdenken, warum jemand, der so haptisch und körperlich vorgeht, im Plastischen und Elastischen den Unterleib mit Vorliebe in Kanistern versenkt.
Thaddäus Hüppi legt keine Wert auf Karriere. Er beobachtet und begleitet Karrieren und betreibt ein Werk, daß alles unterläuft, was Erfolg verspricht. Was sagt Emil Cioran, der "böse Bube unter den Philosophen des 20ten Jahrhunderts" (Zitat Durs Grünbein): "In einer Welt ohne Melancholie würden die Nachtigallen anfangen zu rülpsen."
Und ganz zurück:
Wenn man wen anrufen muss um zu fragen, wer Herr Professor Thaddäus Hüppi ist, dann einen Gott an den man glaubt. Den Schöpfer aller Brunnen.
Thaddäus Hüppi schöpft aus der Tiefe und geht dem und den Wesen auf den Grund.

Frau Dr. Gutöhrlein

Ausstellungskatalogtext kommend Einzelausstellung im Äthermuseum St. Gallen, 2014


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