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Christoph Bannat

Katalog Stadtpreis Baden-Baden

5 Freunde sollt Ihr sein! Jahresausstellung an der Hamburger Hochschule der Künste, Ende der 80er Jahre: Ratten wuseln schläfrig in mehrstöckigen, labyrinthisch angelegten Gipshäuschen. Ratten, keine niedlichen Hamster oder gefügigen Mäuse. Und die Gipshäuschen waren keine Modelle, wie sie Künstler seinerzeit gern entwarfen, sondern Lebensraum, wenn auch kein natürlicher. Zurück blieb ein befremdliches Gefühl von Verunsicherung, eine Mischung aus Ironie und Ekel. Dies war die erste Skulptur, die ich von Thaddäus Hüppi sah.
Mitte der 80er Jahre boomte der Kunstmarkt wie nie zuvor. Die Glatzkopffraktion um Markus Lüpertz und Georg Baselitz spielten pathetisch klassische Gesten von Malerfürsten nach. Zur gleichen Zeit konterten Künstlergruppen wie "Mühlheimer Freiheit", "Normal" oder die Berliner Schnellmalervariante um Rainer Fetting ehrgeizig mit punkigen Schmuddelkind-Attitüden, während in Hamburg die erfolgreich bepolkten Studenten Markus und Albert Oehlen, Werner Büttner und Martin Kippenberger die verschiedenen Stilarten der Selbstdarstellung karikierten. Es schien, als folgten alle dem Spruch einer Kaffeerösterei "Frech kommt weiter", mit dem diese für ihren Cappuccino warb. Zur gleichen Zeit steckten im Westen der Bundesrepublik Thomas Schütte, Harald Klingelhöller und Reinhard Mucha ihre Reviere ab. Gemeinsam stärkten alle die Idee vom Lebensentwurf als Vollzeit-Künstler mit den Annehmlichkeiten eines Rockstardaseins. Mitte der 80er Jahre bot die Kunstszene kurzfristig das, was in den 90ern der Sport an Image-Sponsering übernehmen sollte. Dies nur, um zu veranschaulichen aus welcher Atmosphäre das Artzine DANK entstand.
Nachdem die politischen Kunst-Strategien der 70er Jahre ihre Halbwertzeit überschritten hatten, entdeckte Kunst sich selbst als mediales Gesellschaftsspiel. Die Malerfürsten standen für "American Express" still und machten es sich auf Vitrastuhl-Anzeigen bequem. Zeitgleich entstanden mehrere Art(verwandte)-Magazine wie Spex, Wolkenkratzer, Rogue, Noema, Nike oder Heaven Sent. "Zeitschrift für Alles"(von Dieter Roth), Henry, BoaVista, Fake, Glasz waren einige der selbstorganisierten Sub-Heftchen meist auf Copy-Basis. Je später die 80er, desto bunter die Mischung aus Kunst-Klatsch (als Waffe), TV-Musik und Ausstellungsrezensionen. In vielen Heftchen wurde schon mal "das Ende der Geschichte" ganz im Sinne des Philosophen Jean Baudrillard ausgerufen, wahlweise aber auch Kittler, Virilio, Deleuze oder Luhmannsche Systemtheorie Hochglanz veredelt oder matt kopiert, bevor die meisten Magazine wieder vom Markt verschwanden. Ein Zeichengewitter, das seine Entsprechung in journalistischen Malereiversuchen wie dem blondhaarigen Hitlerporträt von Albert Oehlen fand. Theoretisch überdacht durch eine grassierende Subversionsdebatte und stimmungsvoll angeheizt durch Günther Förgs bierschwerem, zum Hitlergruß erhobenen Künstlerarm. Bedeutungsmuster wurden um ihrer selbst willen erzeugt und strategische Brückenköpfe errichtet in der Absicht, eingerissen zu werden, um so das Aufrücken der Nachhut zu verhindern. Mit Öffnung der Mauer, dem Golfkrieg und den rassistisch motivierten Überfällen in Rostock klopfte plötzlich eine andere Wirklichkeit an die Tür. Und auch der überhitzte Kunstmarkt verlor sein Interesse an der Aktie Kunst.
In dieser Zeit initiierten Thaddäus Hüppi, Andreas Siekmann, Hans-Christian Dany, Gunnar Reski und ich die Künstlerzeitschrift DANK.
Wir waren zu jung für Punk und zu alt für eine Hippiekultur. Auch wir schrieben "Au-then-tizi-tät", wie es das Trash-Magazin "Splatting Image" tat, nicht zusammenhängend. Und solange wir nicht wußten, wie es weiterging, bauten wir an der selbstorganisierten Infrastruktur eines sozialen Schienennetzes: unsere Lokomotive hieß DANK. Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt waren die Verbindungen. Wenn Thaddäus Hüppi Urlaubsberichte von Thomas Bayrle schickte, Peter Feldmanns Versandhaus-Katalogausschnitte mitbrachte, Thomas Schütte interviewte oder Tobias Rehberger und Stefan Kern bat, Martin Kippenberger zu befragen, war nie ganz gesichert, welche Musik daraus in den Redaktionssessions entstand, denn wir layouteten alle Hefte immer gemeinsam. In diesem Sinne war die Band DANK alles und der einzelne lediglich begabt. Daß fünf Künstler sich auf eine ästhetische Ausdrucksform geeinigt hatten, funktionierte, gerade von außen betrachtet, plötzlich als eine Form von Behauptung - so sehr wir selbst auch jedem Behauptungsgehabe grundsätzlich mißtrauisch gegenüberstanden. Die DANK Band wurde eingeladen. Wir tourten von Köln (Unfair-Messe), Kassel (documenta IX, Begleitprogramm) über Hagen ("5 Männer und Picasso" im Karl Ernst Osthaus-Museum), Stuttgart (Lehrauftrag Merz-Akademie sowie Künstlerhaus Lesung), Braunschweig (HdK-Vortrag), München ("Sommerakademie", Kunstverein), Hamburg-Malmö (Sei dabei, Malerei 2000), Berlin-Potsdam (Freie Klasse, Fontanelle). Parallel, und das war jedem von uns wichtig, bauten wir an der eigenen künstlerischen Entwicklung. In seiner Parallelwelt entwarf Thaddäus, mittlerweile an der Städelschule in Frankfurt, ganze Stadtlandschaften aus Spraydosen und Glassplittern (seinen Atelierabfällen), durch die er dann eine Spielzeugeisenbahn fahren ließ. Mit seinen Pavillonbauten, deren Wände er als Ausstellungsfläche anderen Künstlern zur Verfügung stellte, ging er noch einen Schritt weiter in den Stadtraum. Gleichzeitig "bedankte" er den Frankfurter "Ausstellungsraum" mit unserer Infrastruktur. Als Mitte der 90er die "political correctness"-Welle aus Übersee herüberschwappte, machte uns dies einmal mehr skeptisch, auch wenn wir die Sehnsucht nach einer bestimmten und bestimmenden Sprache (eine wie Geldverkehr?) nachvollziehen konnten. Bei uns überwog der Verdacht, daß hier wieder einmal nur eine neue Sau durch's Journalistendorf getrieben werden sollte. Aber auch DANK wollte wirklicher werden und nicht nur medial funktionieren. Als Gruppe wurde jetzt "künstlerische Dienstleistung" angeboten. Unter dem Oberbegriff "Internett" erschien ein Prospekt, der zwischen Feng Shui, Reformstil und Bauhaus maßgeschneiderte Installationen für Museen und Privaträume anbot. Ganz im Sinne eines erweiterten künstlerischen Autonomiebegriffs, um den sich jahrelang Debatten rankten, sollte hier die redaktionelle DANK-Struktur als Künstlerbüro oder Kooperative funktionieren. Jetzt hätten wir im Haifischbecken der Galeristen mitschwimmen müssen. Nach kurzem Geplantsche kam das interne Sozialbilliard jedoch zum Stillstand. Was blieb, nach neun DANK-Nummern, einer Solo- und der "Internett"-Ausgabe, war die lustvolle Erfahrung an der selbstgewählten Abhängigkeit. Und das ist für Künstler, deren oberstes Gebot die autonome Selbstverwirklichung ist, nicht wenig. Mit neuen Zeitschriftenprojekten, Ausstellungsräumen und Video-Theken bildeten Thaddäus, Gunnar, Hans-Christian und ich eigene soziale Netzknoten im Kunstbetrieb. Heute bestimmt eine "Business as usual"-Stimmung den Kunstmarkt, der sich als feste wirtschaftliche Größe etabliert hat - jetzt wären neue Feinde zu sichten, dazu aber ein andermal.

Euer Christoph Bannat


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