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Angelika Nollert

Lieber Thaddäus Hüppi,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr über die Einladung, anläßlich der Ausstellungs-Eröffnung von Thaddäus Hüppi hier in der Gesellschaft der Freunde junger Kunst e.V. die Einführungsworte sprechen zu können. Die Ausstellung begleitet die Verleihung des Kunstpreises der Stadt Baden-Baden an Thaddäus Hüppi. Zu seinem Preis möchte ich Thaddäus Hüppi sehr herzlich gratulieren.
Mit diesem Preis und dieser Ausstellung wird heute ein Oeuvre gewürdigt, mit dem der Künstler sehr eigene Wege beschreitet, ein Oeuvre, das in seiner Erscheinung sehr auffällig, skurril und surrealistisch anmutet und das in seinem Wesen schwer bestimmbar ist.
Der 1963 in Hamburg geborene Künstler Thaddäus Hüppi lebt heute in Baden-Baden. Er war Bau- und Möbeltischler, bevor er Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und an der Städelschule in Frankfurt studierte. Thaddäus Hüppi hat bereits an zahlreichen Ausstellungen teilgenommen. Die Ausstellung hier in Baden-Baden vereinigt nun zum allerersten Male eine Fülle von Arbeiten von Thaddäus Hüppi und macht so eine vergleichende und damit vertiefte Auseinandersetzung mit seinem künstlerischen Schaffen möglich.
Thaddäus Hüppi ist Bildhauer. Er entwickelt Skulpturen, die in ihrer Erscheinung sehr auffällig sind, skurril und surrealistisch anmuten und die in ihrem Wesen schwer bestimmbar sind. Sein Thema ist nicht etwa die Abbildung realer Gegenstände oder Personen, sondern die Schaffung einer eigenen, von der Phantasie bestimmten Welt: Figuren, Figurinen und Masken, die sehr spielerisch aufgefaßt sind und sehr über ihr Material und ihre Farbe definiert werden.
Holz, Modelliermasse und vorgefundene Gegenstände aus dem Alltag verbindet Thaddäus zu einzelnen Skulpturen, die er meist sodann in installative Zusammenhänge bringt, indem er sie z.B. vor gestaltete Wände hängt. Diese "Objets trouvés" werden immer bemalt. Dabei kann die farbliche Fassung die Form des Objekts begleiten, sie kann aber auch unabhängig davon zu einem rein ornamentalen Wert werden.
Die Skulpturen von Thaddäus sind voller Anspielungen und wecken Assoziationen unterschiedlichster Art.
Sie alle haben die Einladungskarte zu dieser Ausstellung erhalten. Dort sieht man einen Kopf, der in einer mit Spiegelfolie bezogenen Ecke in der Luft hängt. Er hat keinen Hals und ist nahezu kahlköpfig. Auf der Stirn trägt er zwei runde leicht gewölbte Knöpfe, die mit konzentrischen Ringen geschmückt sind. Aus diesen wachsen jeweils zwei zweigförmig gebogene Drähte, an denen wiederum jeweils zwei Dolden hängen. Oben aus dem Kopf wächst ein dreiteiliges Element aus geometrischen Formen, an das eine Aufhängung befestigt ist. Auf den rosafarbenen Kopf sind Mund und Augen aufgemalt.
Der Kopf mit den scharf geschnittenen mandelförmigen Augen, dem lächelnden Mund und den geschneckten Ohren erinnert grundsätzlich an antike Skulpturen aus archaischer Zeit. Interpretiert man die grüne Vorrichtung zur Aufhängung als Haarschopf, denkt man an ein Bild aus der griechischen Mythologie, an den sogenannten Kairós, der das Glück personifiziert, der jedoch schnell vorübereilt und den man zur rechten Zeit "am Schopfe" packen muß, da man sonst an seinem kahlen Hinterkopf abrutscht. Thaddäus Hüppi hat die grünen Haare festgebunden und damit auch das Glück gleichsam befestigt. Das übrige Grün in den Naturformen der Skulptur wird nun auch den Haaren zugerechnet, so daß der Kopf zu dem eines Pflanzenmenschen wird. Die Zwitterhaftigkeit dieses Wesens wird verstärkt durch die verzerrende Reflektion auf der Spiegelfolie, die dem Betrachter den Kopf gleichzeitig von drei Seiten zeigt. Auffällig ist seine spitze Nase, die hochgezogenen Brauen und das ironisch wirkende Lächeln, das ihm etwas Clowneskes verleiht.
Diese Arbeit besitzt in ihrer Assoziationsvielfalt und in ihrer Fröhlichkeit - die jedoch niemals unernst ist - Charakteristika, die repräsentativ für die Werke von Thaddäus Hüppi stehen.
Da gibt es die bunt bemalten Äste und Zweige, aus denen kleine Wesen zu wachsen scheinen, da gibt es die Installation eines sitzenden biertrinkenden Mannes aus Röhren und Stroh, der laut Beschimpfungen ausstößt, da gibt es Masken aus geschnitztem Schaumstoff - halb Mensch, halb Tier, da gibt es Assemblagen, wo eine Wandarbeit in die Dreidimensionalität erwächst, da gibt es eine Architekturcollage mit Carrera-bahn, da gibt es Schachbretter an der Wand mit gezeichneten Figuren oder am Boden und dann vollplastisch ausgearbeitet, da gibt es einen Blumentopf, der nach unten stabförmig verlängert zu einem Trichter wird, da gibt es einen Mann aus Sacktuch mit einem tatsächlichen Brett vor dem Kopf und Schläuchen als Haaren, der in einem aufblasbaren Pool sitzt, und Teil eines Brunnen wird - und da gibt es nicht zuletzt, Wandobjekte und einen Wasserspeier in Form kleiner wurmartiger Gebilde, die wie Nägel in der Wand sitzen und Fühler aus Blättern besitzen, die wiederum wunderbare Schatten an die Wand werfen.
Durch den Einsatz von Licht und Wasser, aber auch durch ihre lose Befestigung werden die Skulpturen lebendig und durch ihre Bewegung veränderbar.
Die Fabelwesen und Hausgeister von Thäddäus Hüppi sind oft von kleinem, manchmal auch miniaturhaftem Format, die jedoch in der Zusammenstellung oft in einen großformatigen Kontext eingebunden werden. Die Figuren sind sehr detailliert und in präziser Ausführlichkeit behandelt. Er bemalt sie so selbstverständlich, wie andere Künstler ein Bild malen.
Die geometrisch-abstrakte Musterhaftigkeit der Flächen scheint zunächst folkloristisch-ethnografische Wurzeln zu haben. Die Figuren insgesamt aber mit ihrer Mischung von Natur und- Gegenstandsformen erinnert aber vor allem an sogenannte Grotesken, Ornamentmotive aus Antike und Renaissance, die sich aus menschlichen oder Fabel-Wesen, Früchten, Architekturteilen und Rankenwerk zusammensetzen. Man denkt aber auch an Elemente aus der mittelalterlichen Bauplastik wie Wasserspeier oder Figuren von Säulenkapitellen und Konsolen. Thaddäus Hüppi hat diese Elemente nun gleichsam befreit und in einen aktuellen bildkünstlerischen Zusammenhang gebracht. Hierzu bedient er sich der Formensprache des Dadaismus und des Surrealismus, der Pop-Art und des Combine-Painting, aber auch der All-over Malerei, wenn er Wand und Boden mit seinen Formen und Mustern überzieht.
Thaddäus Hüppi verwendet die verschiedenen Materialien und Techniken zum Ausdruck seiner eigenen Wahrnehmung und Haltung. Alle seine Arbeiten implizieren einen spezifischen sozialen Kontext oder stellen diesen vielmehr in Frage, deutlich wahrnehmbar in den Installationen von Pool, Liegestühlen oder dem Schimpfer als trügerische Symbole von Freizeit oder Kritik, und weniger deutlich in seinen Wandobjekten, Mischungen zwischen Drolerien und Dämonen.
Bereits als junger Künstler entwickelte Thaddäus Hüppi ein Interesse an den gesellschaftlichen Kontexten von Kunst. Dies erinnert an seine Jahre in der Redaktion für die Zeitschrift "Dank", u.a. herausgegeben von Stephan Dillemuth, Thaddäus Hüppi, Gunter Reski und Andreas Siekmann, wo dieses Thema eine schriftliche und zeichnerische Form fand.
Diese Kontextsuche erfolgt nun bei Thaddäus Hüppi auf eine sehr spielerische Weise, indem er die spezifischen Wirkung von in der Kunst noch unverbrauchten, einfachen Materialien und Formen auslotet und deren Reizmöglichkeiten ergründet. Gegenstände mit einer Funktion mutieren zu funktionslosen Objekten - oder umgekehrt, die hergebrachte Ordnung der Dinge wird durcheinandergeworfen - oder umgekehrt, eine allgemeine Welterfahrung wird durch Phantasiegebilde vermittelt oder erschüttert.
Thaddäus Hüppi schafft sich seine eigene "individuelle Mythologie". Es handelt sich um die bildnerische Suche nach einer verlorenen Geborgenheit, die er mit dem Eintauchen in unbewußte Träume und mythologische Vorstellungen wieder freilegt. Damit verbindet er eine Zeichenmythik, die den dargestellten Dingen im Sinne einer magischen Symbolik beigegeben wird. Im scheinbar Absurden vermag der Geist so einen Ausweg aus allen beliebigen Schwierigkeiten zu finden. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit

Angelika Nollert


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