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Künstlerzitat:
"Es gibt einmal diese Skulpturen, die man wirklich alleine aufstellen oder wie ein Bild an die Wand hängen kann. Wenn vier oder fünf davon hängen oder stehen sollen, dann wird es von selber eine Raumarbeit. Mich interessiert dann, wie die einzelnen Figuren und Zeichnungen und die bemalte Wand miteinander korrespondieren. Mir geht es nicht um verschiedene Techniken, sondern um Wahrnehmungen und Haltungen."
Thaddäus Hüppi (1997)

Thaddäus Hüppi: Bacchus (2007)

Weit über den Köpfen der Betrachter setzt ein mit Weinlaub bekrönter Mann hemmungslos die Weinflasche an und gönnt sich einen kräftigen Schluck. Seinem Blick nach zu urteilen, scheint er nicht mehr nüchtern zu sein. Der Standort ist gefährlich: Im obersten von drei übereinander gestapelten Weinfässern droht er den Boden unter den Füßen zu verlieren und aus luftiger Höhe einer schmerzhaften Ernüchterung entgegenzusegeln.
Thaddäus Hüppis "Bacchus" (2007) hat großen Durst. Unablässig plätschert der rote Rebensaft aus zwei Flaschen, die der Gott des Weines in seinen beiden Händen hält. Dieser für die Skulpturen-Triennale in Fellbach eigens entworfene Brunnen fügt sich in eine Serie von Brunnen ein, die der Künstler bereits für den öffentlichen Raum konzipiert hat. Der Brunnen als Wasserspender ist die Voraussetzung von Zivilisation und zugleich in jedem Stadtbild Ausdruck von Gestaltungsvorstellungen und Reichtum. Er ist Treffpunkt und kommunikativer Ort, nie zu verfehlen, da sein Plätschern schon von weitem zu hören ist.
Der Brunnen mit "Bacchus" vereint ortsspezifische Charakteristika mit kunsthistorischen Bezügen und einer mythologischen Gestalt, deren Äußeres Comics entlehnt zu sein scheint. Die Welt des Verzerrten und Fremdartigen ist fester Bestandteil im Werk Thaddäus Hüppis. Er entwirft eine Gegenwelt zur eher nüchtern wirkenden konzeptuellen Kunstströmung, die sich gerade während seines Studiums an der Hochschule der Künste in Hamburg abzeichnete. Die oft ansteckende Fröhlichkeit der Gesichter, die Situationskomik in der Anordnung der Figuren verleiht den Arbeiten etwas Leichtes. Doch hinter der leicht zugänglichen und spielerisch erscheinenden Fassade verbirgt sich eine Doppelbödigkeit, die teils auf Wortwitz, teils auf kunst-/historische Inhalte und Anspielungen gründet.
Der für Fellbach geschaffene Brunnen nimmt unmittelbaren Bezug auf die Weinbautradition der Stadt. Nur durch die hingebungsvolle Kultivierung der Reben kann gute Qualität erreicht werden. Diese Kultivierung des Weines lässt sich auf die Handhabung der Kultur übertragen. Mit dem angeheiterten "Bacchus" greift der Künstler einen Aspekt der Lebensqualität auf und verknüpft diese mit der antiken Mythologie. "Bacchus" als Gott des Weines steht Pate für die bereits in der römischen Antike ausschweifend gefeierten bacchantischen Feste. Die Darbringung von Opfern soll die Brunnen des Weines nicht versiegen lassen. Auch im Zeitalter des Barocks wurden in den Gärten mit kunstvollen Wasserspielen und Brunnenanlagen häufig solche Feste gefeiert, die zudem zu frivolen Schäferspielen einluden. Die barocke Opulenz im geradezu verschwenderischen Umgang mit edelsten Materialien reduziert Thaddäus Hüppi in seiner Arbeit auf die Verwendung alltäglicher Gegenstände, deren ursprüngliche Materialität kaschiert wird und zum Entdecken und Entschlüsseln einladen.
Der Fellbacher "Bacchus" feiert ganz für sich alleine, lässt sich beim hedonistischen Genuss beobachten, ungeachtet der schwäbischen Mentalität, nach welcher das letzte brüderlich geteilte "Viertele" den Genuss zu vergrößern vermag. Der Gott des Weines, der den Wein verkörpert, konsumiert sich selbst und wird darin zu einem Zeichen der habgierigen Selbstsucht.

Barbara Wagner

Lit.: Schwarzwaldhochstraße. Kat. Kunsthalle Baden-Baden, hg .v. Matthias Winzen, Baden-Baden 2002; Zuspiel. Stephan Balkenhol & Thaddäus Hüppi. Kat. Neuer Aachener Kunstverein, Aachen 1997


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